Samstag, 21. Mai 2011

Die eierlegende Wollmilchsau

Ich wollte einen Blogeintrag darüber schreiben, wie eine ganz bestimmte Aussage oder Annahme mein Leben beeinflusst und bin während des Schreibens zu einer Erkenntnis gekommen. Beim Sprechen über etwas ist mir das schon oft passiert. Ich habe es formuliert und plötzlich zeigte sich mir wie von selbst die Antwort. Aber beim Schreiben? Bisher nicht. Ich wollte darüber schreiben, dass heute in Filmen, Romanen aber auch Ratgebern oft eine ganz bestimmte Botschaft vermittelt wird: Jeder hat ein Ziel, einen Traum und wenn man sich nur genug anstrengt, kann man diesen erreichen. Sehr amerikanisch. Ich wollte mich darüber auslassen, dass dieser Gedanke manchen auch schaden kann, weil sie sich unter Druck setzen. Ich behauptete von mir, keine Ziele, keinen Traum zu haben. Nichts, wofür ich alles tun würde, wofür ich kämpfen würde. Doch ich denke schon, dass jeder ein Ziel hat. Vielleicht ist es nicht immer so heroisch oder atemberaubend, wie im Film, aber es ist da. Ich denke, dass viele es nicht sehen, oder vielleicht sogar nicht sehen wollen, weil es unbequem ist und nicht in ihren Lebensplan passt. Vielleicht geht es sogar gegen einige Überzeugungen, die sie glauben zu haben. So ist es bei mir. Ich meinte immer, dass da etwas sein müsste. Etwas Großes vielleicht oder etwas Wichtiges. Ich meinte, mein Ziel müsste ein Etwas sein. Ein Ziel, mit einem Namen. Ich möchte Musiker werden! oder Ich möchte Mutter werden! oder Ich möchte den Berg XY besteigen! Ein Ziel. Blick drauf. Und los! So muss es doch bei mir auch sein. Ich will doch sicher etwas erreichen. Einen Gipfel. Eine Sache. Einen Punkt ... Irrtum. Ich möchte alles.


Ich will alles mal geschmeckt, alles mal gefühlt und alles mal gesehen haben. Ich will alles mal ausprobiert, alles mal gewusst und alles mal vergessen haben. Ich will alles mal gehört, alles mal gesagt und alles mal getan haben. Ich will nicht Meister in etwas werden. Nicht Profi in etwas sein, auch wenn das heute "in" ist und ich lange glaubte, es gehört sich so, sich für eines zu entscheiden. Aber das bin ich nicht. Ich will probieren, experimentieren, stümpern, basteln, versuchen und .... und wieder aufhören, um was Neues anzufangen. Es gibt Konstanten. Es gibt Dinge, die mich immer wieder anziehen. Die Musik zum Beispiel. Tanzen zum Beispiel. Aber auch hier gibt es tausend Spielarten, die ausprobiert werden wollen. Immer nur Alt singen? Immer nur Walzer tanzen? Neee!


Mein Problem dabei ist nur, dass ich alles sofort möchte. Wenn ich etwas tue, bin ich im Geiste oft mehr bei den vielen Dingen, die ich jetzt nicht tue. Um all das leben zu können, was ich gerne tun möchte, bräuchte ich mehrere Leben. Ein großes Vorbild ist für mich in dieser Hinsicht Bud Spencer alias Carlo Pedersoli (Lest seine Autobiographie! Es lohnt sich!). Er hat alles mal gemacht, aber nichts wirklich als Profi. Er ist geschwommen, hat aber nie mit so viel Akribie geübt, dass er es wirklich zu einem Profi gebracht hat (obwohl allein das Mitmachen bei den Olympischen Spielen für mich schon profihaft genug ist). Er hat Musik gemacht, komponiert, konnte aber keine Note und kein Instrument. Er hat unzählige Filme gedreht, hat es aber nie zu einem echten Schauspieler gebracht, weil er im Grunde immer nur sich selber spielte (was ich aber absolut nicht schlimm finde). Er ist Pilot, allerdings nur für kleine Maschinen. Er ist Vater und Ehemann. Er hat in Rom, Argentinien und im Amazonasgebiet die verschiedensten Jobs gemacht, ohne einen davon wirklich gelernt zu haben. Er hat in vielen Filmen so etwas wie Englisch gesprochen, wusste aber im Grunde gar nicht, was er da sagte (er kann einfach gut auswendig lernen). Er hat einfach alles gemacht, weil er sich unglaublich schnell in Dinge reinfuxen kann, ohne sie jemals gelernt zu haben. Er beherrscht sie gerade so weit, dass er damit arbeiten kann. Er hatte auch einfach keine Lust, sich näher damit zu beschäftigen. Es ging doch auch so. Vielleicht kann ich mir davon eine Scheibe abschneiden, auch wenn ich fürchte, dass man dafür den unerschütterlichen Optimismus eines Neapolitaners braucht.

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