Mittwoch, 8. April 2015

Mein erster Kontakt zu Poetry Slams

Vielleicht lächeln einige von euch jetzt nur müde, doch ich habe zwar schon viel von Poetry Slams gehört und wollte auch immer mal hin, bin aber nie gegangen. Nun hat es sich aber sogar zwei Mal innerhalb kürzester Zeit ergeben, dass wir den Hintern hoch gekriegt haben, um hin zu gehen. Es waren beide thematische Slams. Ein Metal-Slam und ein Nerdslam. Der Metal-Slam fand ohne Wettstreit statt. Jeder hatte so viel Zeit wie er wollte und es gab auch keinen Sieger. Es ging allerdings ein Hut rum, in dem Geschenke für die Auftretenden gesammelt wurden. Was drin war, sehr ihr hier. Die erste Runde war großartig. Wir haben sehr gelacht. Nach der Pause ging es dann leider schwächer weiter und ein Beitrag hat etwas die Stimmung getrübt. Er hatte uns vorgewarnt, dass schon Menschen den Saal verlassen hatten, nachdem er das vorgetragen hat (wir durften zwischen zwei Beiträgen auswählen). Später verstand ich dann auch warum. Ich dachte, es käme etwas politisch, religiös oder sonst irgendwie Anstößiges. Gut, ein wenig war es das auch. Allerdings eher sexuell anstößig. Es war einfach hochgradig ekelhaft und damit meine ich nicht einen Porno mit ungewöhnlichen Praktiken, sondern eine Sexszene in einem Splatter-Horrorfilm der unteren Kategorie. Ich fand die Idee jetzt noch nicht mal so schlimm, auch wenn sie sehr krank war, aber es war einfach zu viel ... Körperflüssigkeit jeder Art, Nekrophilie, Splatter und Detailverliebtheit. Danach kam die Runde nicht mehr so richtig in Schwung und mir war schlecht. Aber den ersten Teil war es definitiv wert.

Der Nerdslam war einfach nur genial. Hier ging es klassischer zu mit zwei Runden, wobei nach jeder eine Münze von den Zuhörern in die Kiste des besten Slammers gesteckt wurde. Dann kam das Finale der zwei Besten und am Ende noch eine Zugabe des Siegers. Wir haben Tränen gelacht. Bis auf einen Beitrag, der einfach sehr unausgereift wirkte, waren alle Beiträge großartig. Die hinter uns waren keine Nerds und verstanden nur Bahnhof was nach einiger Zeit etwas nervig war. In den Pausen lief diese Fan-Version von Star Wars (ohne Ton), welche sehr unterhaltsam war. Als Musik hatten sie zwar sehr nette Lieder ausgewählt (u.a. Themes von Knight Rider, A-Team und Inspector Gadget sowie "In der Weihnachtsbäckerei" von Rolf Zuckowski), die Playlist war allerdings ein wenig kurz, weshalb wir alle Titel an dem Abend ca. 5-6 Mal hörten. Gefühlt 20-30 Mal, aber das kann zeitlich nicht sein. Obwohl ich nicht behaupten würde, ein klassischer Nerd zu sein, habe ich die meisten Witze und Anspielungen verstanden. Es ging um die Höhen und Tiefen einer Tabletop-Runde, eine Beschwerde bei Peter Jackson für die Hobbitverfilmung, Zombieapokalypsenszenarien, Nerdgirls, Disneyfilme, Harry Potter und diverse Fantasy-Autoren. Auch die beiden Moderatoren gaben zwei Texte zum Besten, die ebenfalls großartig waren. Insgesamt einfach nur toll.

5 Kommentare:

  1. Hö. Auch nach einigem Nachdenken will sich mir nicht erschließen, warum nun gerade ein „Nerd“ mit der Komsumption irgendwelcher alberner Kinder- und Jugendbuch-Schriftsteller aus England (Tolkien oder diese kuriose Harry-Potter-Autorin, auf deren Namen ich mich gerade nicht zu besinne vermag…) oder von US-amerikanischem TV-Serien-„Fantasy“-Schrott assoziiert wird.

    Da geht einfach etwas durcheinander – Ingenieure ticken anders.

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  2. Ein Nerd ist jemand, der sich sehr in ein oder mehrere Themen (Buch, Fantasiewelt, Serie, Computerspiel, Computer allgemein) hinein versenkt. Und viele tun eben dies mit bestimmten Buchreien, meist aus dem Fantasybereich, oder eben Serien. Dies muss nicht jedem gefallen, aber es spricht die entsprechenden Nerds an, die sich damit beschäftigen. Meist geht damit einher, dass von der "Außenwelt" (wie z.B. bei dir in deinem Kommentar geschehen) das Interesse des Nerds als albern und kindisch abgetan wird. Daher verstehe ich hier dein Unverständnis nicht, warum die Themen nicht zum Überbegriff "Nerd" passen.

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  3. Ja, es mag wirklich sein, daß sich das Bedeutungsfeld des Begriffes „Nerd“ in den letzten zehn, fünfzehn Jahren deutlich verschoben hat – also weg von den
    Technikern, hin zu den irgendwie „vernetzten“ Leuten. Ich erinnere mich an Diskussionen im Jahre 2009, also während des ersten Twitter-Hypes, in denen wir
    versucht haben, diese Tendenz zu fassen. Da waren dann die schicken „neuen Nerds“ da, die auf einmal nur noch wenig mit den alten introvertierten und
    kommunikationsgestörten Ing-Typen à la Gates zu tun hatten, sich dafür aber umso lautstärker zu „Digital natives“ erklärt haben. Weg vom Quellcode, hin zum
    pausenlosen Handy-Drücken – so ungefähr.

    Kurioserweise hatte ich gerade heute morgen eine Diskussion zu dem Thema „Was ist ein Hipster?“. Lösungsvorschlag: „Ein Nerd, der nicht mehr proggen oder
    lesen und schreiben kann, dafür aber ’nen Vollbart hat.“

    Und meine Güte: „Fantasy“-Literatur oder TV-Serien... Dafür interessiert man sich vielleicht in der Kindheit und in der Pubertät, aber doch nicht als
    Erwachsener! Wie angedeutet: das ist die Perspektive meiner Generation X.

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  4. Ich muss sagen, das ich gerade wirklich froh bin, zu einer Generation zu gehören (oder mich vielleicht nur in entsprechenden Kreisen zu bewegen), in der mir nicht aufgrund meines Alters oder sonst irgendwelcher Kriterien vorgeschrieben wird, was ich mögen und interessant finden darf und was nicht. Es würde mir ein großes Stück Lebensqualität wegnehmen, meine Interessen nicht mehr nach meinen tatsächlichen Wünschen auszurichten. Ich fände mein Leben recht eingeschränkt und deutlich farbloser, wenn ich mich nur für Dinge interessieren dürfte, die für mein Alter "standesgemäß" sind.

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  5. Also, zur guten Güte: Es ging mir wirklich nicht *primär* um die Akzeptanz von unterschiedlichen Lebensstilen (inklusive Lektüregewohnheiten und Medienkonsum) in verschiedenen Generationen oder sozialen Schichten, also nicht um soziokulturelle Normen und Bildungskanons hier und dort oder dann und dann – sondern um die
    merkwürdige Bedeutungsverschiebung eines Slang-Begriffs, nämlich „Nerd“.

    Früher war ein „Nerd“ wirklich ein fast immer pejorativer Terminus für so einen Programmierer-Typen: technisch hochversiert, aber zumindest
    halb-verhaltensgestört. („Mit der Sozialkompetenz einer Tiefseequalle, aber ohne deren Vermehrungsperspektiven“, wie es mal sehr hübsch irgendwo hieß.) Zum
    Klischee gehörte die merkwürdige Ernährung: Pfefferminz-Schokolade, Mezzo-Mix und Tiefkühlpizza, oder derlei. Oder auch die mangelnde Stilsicherheit, was z.B.
    die Bekleidung oder den Gebrauch der eigenen Muttersprache angeht.

    Heute hat sich die Bedeutung ausweislich Deiner eigenen Darlegungen offensichtlich verschoben, und zwar zum Positiven oder zumindest zum positiv Gemeinten.

    Für den Seitenhieb gegen Fantasy-Literatur, die ich selbst als Jüngling sehr gerne gelesen habe, bist Du um Verzeihung gebeten.

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