Sonntag, 25. Juli 2010

Exzessiver Spaß

Irgendwie wälze ich hier im Moment zu viele gesellschaftliche Themen. Aber muss halt mal sein. Wegen einiger Zeitungsartikel und Berichte habe ich mir Gedanken zu der aktuellen Feierkultur und steigenden Gewalt in dem Kontext gemacht. Der Betreiber einer Türsteherfirma meinte, dass sich seit den 80ern die Art wie gefeiert wird immer mehr verändert hat. Der schnelle "Spaß" muss her. Je zugedröhnter, desto besser. Und in dem Zustand sind dann anscheinend auch die Ausschreitungen vorprogrammiert. Besonders Technopartys sollen da heftig sein. Ich verstehe die heutige Auffassung von Spaß und Feiern nicht mehr. Dass man was trinkt, ist vollkommen in Ordnung. Meinetwegen auch so viel, dass man leicht betrunken ist. Wers braucht. Aber dieses Saufen bis zum Umfallen finde ich einfach nur krank. Was ist daran so erstrebenswert, dass ich viel Geld für Alkohol ausgebe, mich zum Affen mache, Scheiß baue und erzähle, von dem ich am nächsten Tag (zum Glück?) nichts mehr weiß und mich dann wie vom LKW überfahren fühle? Warum? Ich kapiers einfach nicht. Macht das echt Spaß, oder haben sie es einfach verlernt, Spaß zu haben, ohne sich das Hirn weg zu saufen, weil sie so verunsichert sind, dass sie sonst nichts auf die Reihe kriegen würden? Ich will es einfach nur verstehen. Echt jetzt. Gruppenzwang? Coole Geschichten von Abstürzen erzählen können? Strichlisten wie oft ich schon mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus lag? Und dazu halt noch diese Gewalt. Eine traditionelle Freibad-Party in Hannover hat dieses Jahr zum letzten Mal stattgefunden, weil es zu Prügelein gekommen ist und eine Frau beinahe vergewaltigt wurde. Super. Merken die denn nicht, dass sie mit dem Kram alles verderben? Anscheinend nicht. Da ist eine ungeheure Anspannung. Es ist, als ob in vielen etwas brodeln würde, das sie im Alkohol ertränken und in Gewalt ausleben. Es heißt ja auch, dass die Gewaltbereitschaft allgemein immer mehr steigt. Es schwelt etwas und fängt immer mal wieder an zu brennen. Und meines Erachtens zählt da auch der Kram mit der Privatsphäre mit rein. Es gibt vordergründig keine Grenzen mehr, aber trotzdem fühlen sich viele eingesperrt. Vielleicht gerade weil alles geht. Die Perspektiven sind schlecht und gut zugleich. Man hat alle Möglichkeiten im Beruf und auch keine. Der Status ist wichtig, aber viele fühlen sich total überfordert und wissen nicht, wie sie den gesellschaftlichen Forderungen nachkommen sollen. Dann brauchen sie das schnelle Abschalten nebenbei. Weil ja alles heute schnell und effizient sein muss, so also auch der Spaß. Und wie würde es schneller gehen, als mit möglichst viel Alkohol? Dann braucht man nicht mehr denken (bzw. kann nicht mehr denken) und ist für einen Moment raus aus allem. Alles ist dann leicht.

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