Donnerstag, 11. Dezember 2008

Türchen Nr. 11



Mutter

Die Mutter hält in nie geahnter Lust
Das neue Sein, das Kind, an ihrer Brust.
Ein heller Lichtschwall macht ihr Herz fast blind –
„Wie fass‘ ich nur das ganze Glück? Mein Kind!“
Sie lächelt, sinnt und singt in sich hinein.
„Nie war etwas so innig-eigen mein!
Mein heil’ger Traum trat in den hellen Tag,
Ein Herz, ein Ührlein tat den ersten Schlag.
Ein Mensch, der eine ewige Seele hat
Ist mein – ein Vögelchen – ein Rosenblatt.
Und um dies zarte Rosenblättchen her
Wogt meines Herzens Liebe wie ein Meer,
Ein Meer, drin alles Leiden tief versenkt.
Gott und die Liebe haben mir’s geschenkt.
Wie denk‘ ich nur dies tiefe Wunder aus?
Weit ward die Welt – zum trauten Nest das Haus.
Das Schlüsselchen zu einem Wunderland
Liegt, zartes Kind, in deiner winz’gen Hand.
Ich darf dies neue Land mit dir begehn,
Ich darf dich leiten, lenken und verstehn –
Wie Gott mich kennt und meiner Taten Sinn,
Weil ich, mein Kind, ja deine Mutter bin!“

Frieda Schanz


Dieses Gedicht stammt aus einem hübschen kleinen Büchlein, das in blau gebunden ist und mit Goldschrift verziert. Es ist schon ein wenig älter, aber nicht wirklich erwähnenswert alt. Ich mag alte Dinge. Sie haben eine Geschichte zu erzählen. Sie haben die Zeit überdauert. Bei Büchern habe ich manchmal das Gefühl, daß man sich damals einfach mehr Mühe gegeben hat, sie zu binden. Gut, es war ganz einfach mehr Mühe, sie zu binden, vor dem Zeitalter des Paperback. Dafür sind sie heute meist erschwinglicher. Hat auch seine Vorteile.

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